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H-bWudEdW


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So, gerade eben habe ich Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt zu Ende gelesen. Und eine Menge Sachen gehen mir durch den Kopf.

Trauer und Melancholie
Laut Herr Kümmel das Leitmotiv (eines der Leitmotive) des Buches. Lange Zeit konnte ich die Aussage nicht so ganz nachvollziehen, bis ich schließlich (gerade eben) zum letzten Kapitel gelangte. Mit der Entscheidung des Protagonisten kann man ja fast nicht einverstanden sein und so fällt es auch leicht, diese Entscheidung auf eben diese Melancholie zu beziehen. Auch all die anderen von Freud beschriebenen Eigenschaften lassen sich plötzlich überall finden.
Doch was fehlt, um das ganze noch etwas nachvollziehbarer zu machen sind Motive! Gründe, warum er (der Protagonist) in diese Melancholie fällt. Gut, seine Frau hat ihn plötzlich verlassen (das kennt man ja schon aus einigen Murakami Büchern), aber das kann ja doch nicht alles sein. So ganz durchleuchtbar scheint mir der Charakter – auch wenn wir ihn von außen sowie von innen kennen lernen – noch nicht zu sein. Wir erfahren Wirkungen, doch fehlt uns die Ursache dazu.

Und eben dieses fiel mir nun schon bei einigen Murakami-Büchern auf: ohne ausführlichem Anfang und ohne explizites Ende folgen wir einem Protagonisten. Mit Sicherheit teilen wir mit ihm im Laufe des Buches eine Wandlung, einen Bruch oder zumindest einen Höhepunkt seines Lebens. Doch immer ist der Anfang und das Ende bei Murakami ein Übergang: einmal dezent gemütlich in die Welt des Charakters und dann meist etwas schneller der Übergang wieder hinaus aus dieser Welt. Das Ein- und Ausleben fällt nicht schwer, doch trotzdem sitzt man jedes Mal mit gerunzelter Stirn und offenem Mund vor dem Buch und bleibt in dem Murakami-Universum noch für einige Zeit verloren umhertreibend und macht sich Gedanken zu dem gelesenen. Und die Gedanken drehen ihre Kreise, nur, um festzustellen, dass man das Zentrum einfach nicht erreicht; vielleicht auch, weil man das ja gar nicht möchte.


- Und was bitte schön ist eine Elefantenfabrik???

- Vielleicht ist es „Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt“?


Unendlichkeit im Denken
Ich verweise auf: Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt, 2006, Köln, Hard-Cover Ausgabe. Seite 349.
„Wie lange wird diese Welt andauern?“
„Ewig“, sagte der Professor.

[…]

[„]Das Denken kennt keine Zeit. Das ist der Unterschied zwischen Denken und Träumen. Das Denken kann alles im Augenblick erfassen. Es kann auch Ewigkeit erfahren. Es kann einen geschlossenen Kreislauf einrichten und sich darin in Unendlichkeit wiederholen. Anders als ein Traum kann es nicht unterbrochen werden.[“]


Diesen Abschnitt fand ich sehr interessant und so habe ich mich daran versucht, ihn nicht nur zu lesen und als wahr hinzunehmen, sondern ich wollte den Gedanken selbst denken.

Zuerst ein paar Worte zur Logik in der Philosophie.

Ich möchte als erstes zwei Aussagetypen vorstellen:

Als erstes eine analytische Aussage a priori.

Beispiel: „Es regnet oder es regnet nicht.“

Dies ist ein deduktives Argument, d.h. es ist nicht erkenntniserweiternd dafür aber wahrheitserhaltend.

Diese Aussage ist wahr und es wird niemandem gelingen, es wird gar niemand auf die Idee kommen, die Wahrheit dieser Aussage in Frage zu stellen.

Analytische Aussagen a priori sind Aussagen, die rein im Geiste erschlossen werden können. Wissen über die Welt ist hierbei nicht nötig.


Nun der zweite Aussagetyp: die synthetische Aussage a posteriori.

Beispiel: „Wenn es regnet wird die Straße nass.“

Dies ist ein induktives Argument, d.h. es ist erkenntniserweiternd aber nicht wahrheitserhaltend.

Diese Aussage könnte man schon eher widerlegen.

Synthetische Aussagen a posteriori sind Aussagen, für welche Weltkenntnis erforderlich ist. Also ohne beobachtet zu haben, dass eine Straße vom Regen nass wird, kann ich diese Aussage nicht machen.


Und jetzt kommen wir zu dem tatsächlich relevanten, interessanten Teil.

Kant behauptete schließlich es gäbe:

Synthetische Aussagen a priori!!!

Also eine Aussage, welche ich rein im Geiste erschließen kann, welche aber erkenntniserweiternd für mich ist. Und als übliches Beispiel wird hierbei genannt:

Die Zeit.


Nun schließt sich der Kreis und die kleine Einführung in philosophische Logik ergibt Sinn. Wenn Kant Recht hat und es synthetische Aussagen a priori gibt, dann hat der Professor unrecht, denn dieser Behauptet ja schon im ersten zitierten Satz „das Denken kennt keine Zeit“. Doch das ist falsch, denn nur das Denken kennt Zeit; wer denn sonst?

Nun wollen wir noch kurz den folgenden Satz betrachten: „Es kann einen geschlossenen Kreislauf einrichten und sich darin in Unendlichkeit wiederholen.“ Zunächst einmal: ein geschlossener Kreislauf ist bereits die Unendlichkeit, so ist es auch unnötig, sich in der Unendlichkeit die Unendlichkeit wiederzuholen. Unendlichkeit ist Unendlichkeit, da gibt’s kein größer und kein kleiner (wenn man mal von dem Unendlichkeitsparadox in der Mengenlehre absieht). Die nächste Frage ist die eines geschlossenen Kreislaufs. Uns wird ja des Öfteren im Buch versichert, dass es keine Perpetuum Mobile geben kann (z.B. Seite 413). Doch eben dieses wäre ein geschlossener Kreislauf. Ein geschlossener Kreislauf fällt mir spontan nur in der Informationstechnologie beim Programmieren ein:

10: goto 20

20: goto 10

Dies würde zu einem simplen Aufhängen des Programms führen. Und Fälle von Menschen, bei denen sich der Verstand aufgehängt hat, wären mir nicht bekannt. So ist die Ansicht des Professors wohl leider nur Hoffnungsmacherei und ich möchte diesen Abschnitt mit einem Songzitat von meiner Lieblingsband beenden: Am Ende des 11:16 Minuten dauernden Stücks „Im Embryovernichtungslager – Letztlich bleibt uns nur die Hölle“ als Vorletztes Lied des Konzeptalbums „Tineoidea“ der Band „Samsas Traum“ singt „Der Chor der toten Namen“:

„Und an des Endes Anfang
Schwebt fernab von Zeit und Raum

Zwischen Licht und Dunkelheit

Erneut ein allerletzter Traum.

Der die Zeit zum nächsten Ende wiegt,

Die Leere füllt, die Angst besiegt

Und aus verlor'ner Zauberkraft

Sich immer wieder selbst erschafft.“


Und das ist jetzt Japan?
Jetzt habe ich geschrieben und geschrieben und geschrieben, mir alle möglichen Gedanken zu Hard-Boiled Wonderland … gemacht und überfliege noch mal all das geschriebene und frage mich…
Was hat das alles jetzt eigentlich noch mit Japan zu tun???

Ich habe mir brav Gedanken gemacht zu den verschiedenen Aspekten im Buch und einzelne Zitate ausgegriffen und philosophisch betrachtet, aber… Irgendwie habe ich dabei Japan ganz und gar aus den Augen verloren.
Doch Moment! Was lese ich da, wenn man mich nur ein bisschen weiter runter scrollt? Hyperrealität? Fraktaler Kosmos? Keine Ganzheit? Jaaaa, dass ist die Rettung, so gibt das ganze dann doch noch einen Sinn. Einen Hypersinn oder noch besser: einen Metasinn.


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